Alabaster DePlume: Ein sanfter Protest in Klängen – Eine Hommage an seine einzigartige Kunst
"Don't forget you're precious" – diese immer wiederkehrende, mantraartige Zeile ist mehr als nur ein Songtitel von Alabaster DePlume. Sie ist eine Lebensphilosophie, ein Aufruf zur Sanftmut und Achtsamkeit, die den Kern seiner faszinierenden Kunst umschließt. DePlume, bürgerlich Gus Fairbairn, ist kein Musiker im konventionellen Sinne. Er ist ein Klangdichter, ein sozialer Architekt und ein Meister der zerbrechlichen Intimität, dessen Werke – besonders die Alben To Cy & Lee: Instrumentals Vol. 1 und I Was Not Sleeping – tiefe Spuren hinterlassen.
Das Wunder von "To Cy & Lee: Instrumentals Vol. 1" (2020)
To Cy & Lee ist kein Album, das man einfach nur hört; man taucht in es ein. Es wirkt wie eine warme Umarmung in Klangform. Entstanden in improvisierten Sessions mit einer Gruppe von Musiker:innenunterschiedlichsten Hintergrunds und Könnensstufen, atmet es eine einzigartige Authentizität und menschliche Wärme.
- Minimalistische Schönheit: Die Stücke sind oft schlicht strukturiert, basierend auf sich wiederholenden Figuren auf dem Tenorsaxophon, DePlumes Hauptinstrument. Seine Melodien sind nicht komplex, aber unglaublich einprägsam und tröstlich. Sie schaffen Raum zum Atmen, zum Nachdenken, zum Sein.
- Die Magie des Unperfekten: Die Aufnahmen klingen nicht klinisch sauber. Man hört das Rascheln, das Atmen, das leise Klicken von Instrumenten, das Summen des Raumes. Diese "Fehler" sind kein Mangel, sondern das Wesen des Albums. Sie erinnern uns daran, dass hier Menschen miteinander in Verbindung treten, nicht Maschinen perfekte Takes produzieren. Es ist Musik, die Verletzlichkeit nicht versteckt, sondern zelebriert.
- Tiefe Emotionalität: Obwohl rein instrumental, vermitteln Stücke wie "Whisky Story Time", "If You're Sure You Want To" oder "What's Missing" eine überwältigende Palette an Gefühlen – von melancholischer Reflexion über zarte Hoffnung bis hin zu purer, stiller Freude. Es ist Musik, die direkt ins Herz spricht, ohne viele Worte zu benötigen.
- Ein Raum der Zugehörigkeit: Der Entstehungsprozess spiegelt DePlumes Ethos wider: Musik als gemeinschaftlicher Akt, als Ort des Zusammenkommens ohne Leistungsdruck. To Cy & Lee fühlt sich an wie ein sicherer Hafen, ein Ort, an dem man akzeptiert wird, so wie man ist. "Don't forget you're precious" ist der Leitgedanke.
Die spirituelle Tiefe von "I Was Not Sleeping" (2018)
Während To Cy & Lee oft nach innen und in die Gemeinschaft blickt, öffnet I Was Not Sleeping Tore zu etwas Spirituellem, Transzendentem. Hier erweitert DePlume sein Klangspektrum deutlich:
- Vokale Schichten: Gesang und gesprochenes Wort treten viel stärker in den Vordergrund. DePlumes Stimme ist ein Instrument für sich – raunend, beschwörend, manchmal fragil, dann wieder kraftvoll rezitierend. Texte wie "I'm Good At Not Crying" oder "Not My Ask" sind poetische Fragmente, Parabeln und sanfte Anklagen.
- Dichtere Klangteppiche: Das Saxophon bleibt zentral, wird aber umrahmt von sphärischen Gitarren, hypnotischen Perkussionsmustern, field recordings und elektronischen Texturen. Es entsteht eine dichte, fast sakrale Atmosphäre. Tracks wie "People With Their Phones" oder "I Will Not Be Safe" haben etwas Meditatives, aber auch leicht Beunruhigendes.
- Politische Untertöne: Der "sanfte Protest" wird hier deutlicher. DePlume thematisiert soziale Ungerechtigkeit, Überwachung, den Verlust von Menschlichkeit im Digitalzeitalter – aber niemals mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit einer Mischung aus Trauer, Weisheit und einem unbeirrbaren Glauben an die Kraft der Sanftmut und Verbindung ("I was not sleeping, I was not idle. I was not hiding, I was not waiting.").
- Ritualhafte Qualität: Das Album fühlt sich an wie eine moderne Zeremonie. Die Wiederholungen, die sich aufbauenden Klangschichten, die mantrischen Gesänge – sie alle laden ein, in einen anderen Bewusstseinszustand einzutreten, sich dem Fluss der Musik hinzugeben.
Das Wesen von Alabaster DePlumes Kunst
Beide Alben, so unterschiedlich sie im Detail sind, teilen den unverkennbaren Geist ihres Schöpfers:
- Gentle Protest: DePlumes Widerstand gegen die Hektik, Kälte und Ungerechtigkeit der Welt äußert sich nicht in Aggression, sondern in der radikalen Pflege von Sanftmut, Aufmerksamkeit und Gemeinschaft. Seine Musik ist der Protest – durch ihre bloße Existenz und ihre Haltung.
- Menschlichkeit vor Virtuosität: Es geht nie um technische Brillanz um ihrer selbst willen. Die Authentizität der Emotion und der zwischenmenschliche Moment der Entstehung sind das Entscheidende. Die "Amateure" auf To Cy & Lee sind keine Schwäche, sondern der Beweis für diesen Ansatz.
- Poesie in Klang und Wort: Ob instrumental oder mit Text – DePlumes Arbeit ist tief poetisch. Sie erzählt Geschichten, weckt Bilder, berührt auf einer Ebene jenseits des Rationalen.
- Schaffung von Räumen: Seine Konzerte sind legendär – oft weniger Gig, mehr gemeinschaftliches Ritual oder intime Versammlung. Seine Alben tun dasselbe: Sie schaffen akustische Räume der Sicherheit, Reflexion und Verbindung.
Warum Alabaster DePlume jetzt wichtig ist
In einer Zeit der Lärmbelästigung, der Polarisierung und der sozialen Kälte wirkt die Musik von Alabaster DePlume wie ein notwendiges Gegengift. Sie erinnert uns daran:
- Dass Langsamkeit und Stille kostbar sind.
- Dass Unvollkommenheit Schönheit birgt.
- Dass Gemeinschaft und Zugehörigkeit fundamental sind.
- Dass Sanftmut eine immense Kraft sein kann.
- Dass wir alle kostbar sind ("precious").
"To Cy & Lee: Instrumentals Vol. 1" und "I Was Not Sleeping" sind keine bloßen Alben; sie sind Einladungen. Einladungen, innezuhalten, tief zu atmen, sich der eigenen Verletzlichkeit bewusst zu werden und die Verbindung zu anderen – und zu sich selbst – neu zu spüren. Alabaster DePlume schafft keine Hintergrundmusik; er schafft Klänge, die den Hörer verändern können, einen sanften, aber nachhaltigen Protest gegen die Gleichgültigkeit der Welt.
"I'm trying to make music that is useful... Music that you can use to feel better, to feel connected, to feel like you're not alone." - Alabaster DePlume
Habt ihr schon mal von ihm gehört, seid in diesen speziellen Klangraum eingetaucht? Welches Stück berührt euch? Für mich ist das „Whisky Story Time“.