Daniel Johnston - Hi, how are you?
Wann immer ich über Daniel Johnston nachdenke und seine Musik höre, überkommt mich eine tiefe Traurigkeit. Eine Art Melancholie, die ich kaum in Worte fassen kann. In diesem Artikel schreibe ich so sachlich wie möglich. Daniel Johnston.
Frühes Leben und erste musikalische Schritte
Daniel wurde 1961 in Sacramento, Kalifornien, geboren und wuchs als eines von fünf Kindern in einer streng christlichen Familie in New Cumberland, West Virginia, auf. Schon früh zeigte sich seine künstlerische Begabung: Er zeichnete obsessiv und entwickelte eine Liebe zur Musik, insbesondere zu den Beatles, deren Einfluss sich später deutlich in seinem Werk widerspiegeln sollte.
Während der Highschool begann er, auf einer einfachen Orgel Songs zu schreiben, die oft von seiner tiefen Emotionalität und seiner introspektiven Natur zeugten. Er nahm seine ersten Kassetten in seinem Elternhaus auf einem billigen Kassettenrekorder auf – mit einem rohen und intimen Sound, der zu seinem Markenzeichen wurde. Dieser Kassettenrekorder lief immer etwas zu langsam was im Nachgang für einen gewissen Pitch-Effekt in seiner Stimme sorgte. Diese scheint immer ein kleines bisschen zu hoch zu sein.
Psychische Erkrankung und musikalische Karriere
Johnston litt zeitlebens unter schweren psychischen Erkrankungen, insbesondere bipolarer Störung und Schizophrenie, die seine Karriere und sein Leben maßgeblich beeinflussten. Nach seinem Highschool-Abschluss zog er nach Austin, Texas, einer Stadt, die bald zu seinem kreativen Zentrum werden sollte.
In den frühen 1980er-Jahren begann Johnston, seine selbstproduzierten Kassetten in der Underground-Musikszene von Austin zu verteilen. Alben wie "Hi, How Are You" und "Yip/Jump Music" wurden zu Kultklassikern, geschätzt für ihre rohe Ehrlichkeit, naiven Melodien und die tief persönliche Art, wie Johnston seine Kämpfe mit Liebe, Verlust und seinem Glauben verarbeitete.
Eines seiner bekanntesten Werke ist das handgezeichnete Cover von "Hi, How Are You", auf dem ein froschartiges Wesen namens Jeremiah the Innocent abgebildet ist. Dieses Bild wurde später zur Ikone der alternativen Musikszene.
Berühmtheit und innere Kämpfe
Johnstons Durchbruch in der Indie-Szene kam, als Kurt Cobain, der Frontmann von Nirvana, in den frühen 1990er-Jahren ein T-Shirt mit dem "Hi, How Are You"-Design trug. Plötzlich wurde Johnston einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, und Musiker wie Sonic Youth, Pearl Jam und Tom Waits zollten ihm Anerkennung.
Doch die wachsende Aufmerksamkeit verschärfte auch seine inneren Kämpfe. Johnston hatte immer wieder psychotische Episoden und wurde mehrmals in psychiatrische Kliniken eingewiesen. Eine berüchtigte Episode ereignete sich 1990, als Johnston während eines psychotischen Schubs ein Flugzeug, das sein Vater pilotierte, zum Absturz brachte, weil er glaubte, von Gott dazu angewiesen worden zu sein. Beide überlebten den Absturz, doch diese und ähnliche Vorfälle machten deutlich, wie sehr seine Krankheit sein Leben prägte.
Künstlerische Arbeit
Trotz seiner Probleme war Johnston ein unermüdlicher Künstler. Seine Musik, geprägt von Lo-Fi-Produktionen und schmerzlich ehrlichen Texten, behandelte Themen wie unerwiderte Liebe, die Suche nach Gott und die Dämonen seiner Krankheit. Songs wie "True Love Will Find You in the End" und "Some Things Last a Long Time" sind zu Klassikern geworden und spiegeln seine unerschütterliche Hoffnung inmitten seiner Kämpfe wider.
Neben der Musik war Johnston auch ein produktiver bildender Künstler. Seine Zeichnungen, oft kindlich und surreal, wurden in renommierten Galerien ausgestellt und sind heute begehrte Sammlerstücke.
Der Hype um Daniel Johnston und die Angebote der Musikindustrie
In den späten 1980er-Jahren war Daniel Johnston auf dem Höhepunkt seines Underground-Ruhms. Seine Lo-Fi-Kassetten hatten ihm eine treue Fangemeinde eingebracht, und nach seinem gefeierten Auftritt beim South by Southwest (SXSW)Festival in Austin, Texas, war er plötzlich eine begehrte Figur in der Musikindustrie. Mehrere große Plattenfirmen, darunter Elektra Records, zeigten Interesse daran, ihn unter Vertrag zu nehmen.
Johnstons naiver Charme und seine verletzliche Art machten ihn zu einer ungewöhnlichen, aber faszinierenden Figur, die perfekt in die alternative Musikszene passte. Elektra Records, das Label von Künstlern wie Metallica und The Cure, wollte ihn unbedingt verpflichten und bot ihm einen Vertrag an, der ihm die Tür zu einem Mainstream-Publikum hätte öffnen können.
Der Grund für die Ablehnung
Daniel Johnston hatte jedoch zunehmend paranoide und religiöse Wahnvorstellungen, die von seiner bipolaren Störung und Schizophrenie herrührten. Während dieser Zeit war er tief in seinem christlichen Glauben verwurzelt und sah die Welt oft durch die Linse eines spirituellen Kampfes zwischen Gut und Böse.
Als Johnston erfuhr, dass Metallica bei Elektra unter Vertrag stand, begann er zu glauben, dass die Plattenfirma „satanisch“ sei. Metallica wurde in seinen Augen zur Verkörperung des Bösen, und er war überzeugt, dass er seine Seele gefährden würde, wenn er den Vertrag unterschrieb. Er weigerte sich kategorisch, sich mit Elektra zu einigen, und brach alle Verhandlungen ab.
Eine alternative Lösung
Nach der Ablehnung von Elektra Records entschied sich Johnston, stattdessen bei einem kleineren Label namens Atlantic Records zu unterschreiben, das ihm weniger bedrohlich erschien. Leider verlief seine Zeit bei Atlantic nicht wie erhofft. Sein erstes Album für das Label, "Fun" (1994), verkaufte sich schlecht, und Atlantic trennte sich bald darauf von ihm. Dies war ein schwerer Schlag für Johnston, der sich zunehmend aus der professionellen Musikszene zurückzog.
Diese Anekdote ist ein tragisches Beispiel dafür, wie sehr Johnstons psychische Erkrankung sein Leben und seine Karriere beeinflusste. Während viele Künstler alles getan hätten, um einen solchen Plattenvertrag zu bekommen, ließ ihn seine verzerrte Wahrnehmung die Chance ausschlagen, ein größeres Publikum zu erreichen. Dennoch zeigt die Geschichte auch, wie stark Johnston seinen Überzeugungen treu blieb – egal, wie irrational sie für andere erscheinen mochten. Genau genommen waren sie für ihn sehr real.
Seine Musik und sein künstlerisches Vermächtnis blieben unabhängig von den großen Labels bestehen und wurden durch seine Integrität und seinen einzigartigen Blick auf die Welt nur noch authentischer.
Spätere Jahre und Vermächtnis
Johnston zog sich in den späteren Jahren seines Lebens zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück, da seine körperliche und geistige Gesundheit weiter nachließ. Er lebte in Waller, Texas, in der Nähe seiner Familie, die sich um ihn kümmerte.
Am 11. September 2019 starb Daniel Johnston im Alter von 58 Jahren an einem Herzinfarkt. Sein Tod hinterließ eine tiefe Lücke in der Musik- und Kunstwelt, die ihn als eine der authentischsten und bewegendsten Stimmen der modernen Kultur anerkannte.
Einfluss und Bedeutung
Daniel Johnston bleibt eine Kultfigur, deren Musik und Kunst das Publikum auf eine Weise berührte, die nur wenige Künstler erreichen. Seine Werke haben nicht nur andere Musiker inspiriert, sondern auch ein Bewusstsein für psychische Erkrankungen geschaffen und gezeigt, wie Kunst ein Ausdrucksmittel inmitten von Schmerz sein kann. - Der Kampf um die Anerkennung und Wahrnehmung, die Sichtbarmachung von psychischen Krankheiten, sie ist eine der wichtigsten Aufgaben die berühmte Menschen dieser Tage, egal von welchem Schlag, haben. Eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung die ich ihnen auferlege.
Sein Vermächtnis lebt in seiner Musik, seiner Kunst und den unzähligen Menschen weiter, die sich in seinen Liedern verstanden fühlten. Seine Geschichte erinnert uns daran, dass Kreativität und Verletzlichkeit oft Hand in Hand gehen und dass Schönheit auch im Zerbrochenen zu finden ist.