It's all about escapism, Baby
Und dann ertappe ich mich dabei, wie ich mir ein bürgerliches Leben wünsche, wie ich die Ruhe und Geborgenheit, wie ich diese Ausgeglichenheit ganz sicher sehr tief in mir, absolut positiv sppüren werde, dadurch gesunde (Gesunden im Sinne von heilen), Kraft und Energie sammle und mich um irdische Dinge kümmern kann.
Doch dann knallt der Eskapismus [1] durch meine Windungen, alles in mir sträubt sich vor einer Bürgerlichkeit und will eigentlich sofort in einem nicht enden wollenden Drogenrausch durch die Nacht, den Tag und das Universum gleiten - und am liebsten einfach verglühen. But Why? Jeder weiß dass man Drogenrausch und Alkoholkonsum, dass man diesen Tanz auf dem Drahtseil, diese Wucht und die Feier des Untergangs, dass man dies nur eine gewisse und kurze, kleine Zeit also haben kann. Und haben sollte…
Es tut uns nicht gut!
So wie es Karin Ritter [2] aus Köthen und ihrer gesamten Familie nicht gut tat. So wie es Jim Morrison nicht gut tat. So wie… sie ahnen es, die Liste ist endlos. Und auch mir wird es nicht gut tun. Würde. Ich erwehre mich dem Eskapismus in der obigen Definiton von Realitätsflucht, kann meine Gedanken, Sie sind schließlich frei, jedoch nicht daran hindern wieder und wieder auszubrechen. Zu enfliehen (sic!).
Die Umwelt macht Bum! - Mein Herz macht Bum!!
Wenn ich von drohenden Weltuntergängen lese. Wenn ich mir den Krieg in der Ukraine vergegenwertige und wie er quasi neben unserem Wohnzimmer stattfindet. Er ist ganz nah!. Wenn ich darüber nachdenke wie kaputt alles ist und was wir unseren Kindern hinterlassen, wie wir diesen Kampf gegen diese Boomergeneration [3] führen, wie wir mit wachsendem Egoismus zu tun haben, wie wir… ich bin es leid. Auch dann kickt der Eskapismus und ich würde gern flüchten. Wieder entfliehen. Fliehen und fliegen.
Und diese politische Situation, vor allem in Mitteldeutschland, diese Sättigung des Bürgers und der damit einhergehenden Unzufriedenheit. Ich meine, es geht uns sicherlich so gut wie nie und doch wird jede Fläche zur Projektion genutzt, wird jeder Stammtisch zur flammenden Rede gegen das Fremde, für Lokalpatriotismus und Deutschtümelei, jede Kirmes zur Ablehnung alles Neuen.
Die nehmen uns alles weg. Die Frauen. Die Jobs. Die Männer.
Und es ist alles so kurz gedacht. Niemand will Probleme lösen, aber sich auslassen, meckern und den Untergang tanzen. Es ist so unerträglich. Man wird müde.
Ein weiterer Grund also für gepflegten Eskapismus. Aufgrund dieser Unerträglichkeit der Welt kann es wohl niemand verübeln, will man sich die Lichter auszuschalten um nicht mehr denken zu müssen.
Eskapismus in der Lesart von Realitätsflucht, Wirklichkeitsflucht oder Weltflucht: bezeichnet die Flucht aus oder vor der realen Welt und das Meiden derselben mit ihren Anforderungen zugunsten einer Scheinwirklichkeit, d. h. imaginären oder möglichen besseren Wirklichkeit. (Quelle) ↩︎
Karin Ritter ist eine Medienpersönlichkeit, den ersten Bericht gab es bereits 1994 im Fernsehen, 26 Jahre lang begleitete ein Team von sternTV sie und ihre Familie in Köthen in Sachsen-Anhalt. (Der Stern berichtet.) ↩︎
Boomer heißen Sabine und Susanne, Thomas und Michael. Sie verwenden Wendungen wie "Gib die Flosse, Genosse" und antworten auf "Mach’s gut" mit "Mach’s besser". Sie schrecken nicht davor zurück, bei Familienfeiern die 18-jährige Großnichte nach ihrem "Liebesleben" zu fragen. Und das sind noch die harmlosen Punkte. Die wirklich ärgerlichen kommen, wenn sie ihre Meinung zu Gendern, Veganismus oder Klimawandel kundtun. (Quelle) ↩︎