Hä? Ich versteh überhaupt nicht, warum X – ehemals Twitter – immer noch so eine Relevanz hat, dass man überhaupt darüber reden muss. In meinem digitalen Alltag kommt es schon lange nicht mehr vor. Und das ist auch gut so. Ich hab drüben schon auf meinem .microblog gerantet, möchte mich aber ausführlicher erklären. Lasst X einfach sterben, damit wir leben können.
Ein rechtsfreier Raum
Was mich heute wieder auf dieses Thema gebracht hat, ist ein neuer Artikel von Armin Wolf: „X ist ein rechtsfreier Raum“. Der bekannte Journalist schildert darin, wie er versucht hat, sich juristisch gegen übelste Beleidigungen und Verleumdungen auf X zu wehren – und scheitert. Nicht, weil es keine Beweise gibt. Sondern weil es auf X keine greifbaren Strukturen mehr gibt, die Verantwortung übernehmen.
Die Plattform bietet den perfekten Schutzraum für Anonyme, Hetzer, Trolle – und tut selbst nichts dagegen. Im Gegenteil: Unter der Leitung von Elon Musk ist die Moderation weitgehend abgeschafft, ehemals gesperrte Accounts wurden reaktiviert, und eine Kultur der Eskalation wird algorithmisch belohnt. Wer dort beleidigt, diffamiert, gar bedroht – wird kaum zur Rechenschaft gezogen.
Aber warum ist man dann noch dort?
Und hier beginnt mein eigentliches Unverständnis. Ich will keinesfalls die Angriffe auf Armin Wolf kleinreden – ganz im Gegenteil: Das darf nicht passieren. Niemals. Es ist absolut richtig, sich zu wehren.
Aber: Warum ist man dann noch auf X aktiv? Warum spielt man dieses Spiel noch mit? Warum gibt man einer Plattform, die sich jeglicher Verantwortung entzieht, weiterhin Sichtbarkeit, Traffic, Aufmerksamkeit – kurz: Relevanz?
Die Medien, Politiker:innen, Institutionen – sie alle beklagen sich über den toxischen Diskurs auf X. Aber sie alle sind noch dort. Sie bespielen es, zitieren daraus, verlinken es. Warum?
Relevanz ist keine Naturgewalt
Relevanz entsteht nicht von selbst. Sie wird erzeugt – durch Aufmerksamkeit, durch Interaktion, durch mediale Spiegelung. Jede:r, der X nutzt, füttert das Monster. Jede Redaktion, die Tweets einbettet, signalisiert: „Das hier ist wichtig.“ Jeder Politiker:innenaccount, der dort Statements abgibt, sagt implizit: „Diese Plattform ist ein legitimer Ort politischer Kommunikation.“
Dabei ist sie das längst nicht mehr.
X ist ein zynisches Experiment geworden, ein digitales Minenfeld, in dem Empörung zum Geschäftsmodell wurde. Wer sich darauf einlässt, zahlt einen Preis – manchmal mit seiner psychischen Gesundheit, manchmal mit seiner Glaubwürdigkeit.
Es gibt Alternativen – bessere sogar
Und nein, es ist nicht so, dass es keine Alternativen gäbe. Das Fediverse, Mastodon, Bluesky, Threads, vor allem auch gute alte Blogs – sie alle bieten Räume für Austausch, Meinung, Öffentlichkeit. Vielleicht kleiner, vielleicht fragmentierter – aber eben auch kontrollierbarer, menschlicher, nicht von einem einzigen Multimilliardär in seinem ideologischen Wahn gesteuert.
Warum also klammern wir uns noch an X? Aus Gewohnheit? Aus Angst vor Reichweitenverlust? Aus Bequemlichkeit?
Mein Fazit
Ich habe X vor langer Zeit verlassen. Und ich habe nichts vermisst. Die Welt ist weitergegangen. Ich habe andere Räume gefunden. Und ich weiß, dass ich dort nicht Teil eines Systems bin, das Hass belohnt und Verantwortung ablehnt und in die rassistische Meinungsmache abgleitet.
Deshalb meine Bitte: Lasst X sterben. Damit wir leben können.
Oder anders gesagt:
Wer das Gift nicht trinkt, muss sich auch nicht über die Übelkeit wundern.
P.S.: Ich weiß, das klingt hart. Aber manchmal braucht es klare Worte.