Ich bin ja ein großer Freund von offenen Standards, zumindest wenn es um die Grundlagen und Protokolle und das Miteinander geht. Aus diesem Grund unterstütze ich auch das Indieweb mit seinen Möglichkeiten der Vernetzung und habe nun auch diverse Dinge in meinen Websites händisch implementiert.
Allerdings wird an dieser Stelle gern mal eine Initiative vergessen, weil sie nie die Aufmerksamkeit erhalten und für sich geblieben ist, die ich sehr schätze: das sogenannte Gemini Smol Web. Und weil John von rausgerufen eine Gemini Kapsel (gemini//mj.nahtgards.de/
) betreibt und wir darüber heute ins Gespäch kamen, entschied ich diesen Artikel zu schreiben. Übrigens habe ich schon mal grundsätzlich dazu ausgeführt (und hier kurz), das muss man aber immer mal wieder tun. Denn Gemini:// erhält zu wenig Aufmerksamkeit. Und dafür gibt es mannigfaltige Gründe.
Gemini ist das "Smol Web": Ein minimalistisches Netzprotokoll jenseits des überladenen Webs. Du schreibst Inhalte in simple Textdateien (.gmi) mit rudimentärer Formatierung (weniger als Markdown!), wirfst sie in einen Ordner auf deinem Server - und fertig ist deine "Capsule". Keine Datenbanken, kein JavaScript, kein CSS. Nur reiner Text und Links.
Das Ergebnis: Pure Information. Ein Raum zum Schreiben und Lesen ohne Ablenkung. Technischer Overhead? Fast null. Kontrolle? Vollständig. Es ist die radikale Reduktion auf das Wesentliche -
und genau das macht es so erfrischend. Probier's aus!
Du brauchst dann einen Browser für Gemini Seiten (LaGrange, Amfora…). So wie du einen anderen Browser für HTML Seiten (Firefox, Chrome, Edge…) brauchst. Dann kannst du los legen. Beides existiert nebeneinander.
Kurz zum Vokabular, damit wir uns verstehen:
- Capsule: Das ist deine Gemini-"Website". Ein bewusst gewählter Begriff, der sich von der überladenen "Website" abgrenzt. Eine Capsule ist klein, fokussiert, oft persönlich – wie eine Zeitkapsel für Gedanken im digitalen Raum. Betrieben wird sie auf einem Gemini-Server.
- Smol Web ("Kleines Netz"): Ein liebevoll-spöttischer Begriff für Netzwerke wie Gemini oder Gopher. Sie stehen im krassen Gegensatz zum riesigen, komplexen, kommerzialisierten "Big Web". Das Smol Web ist schlank, langsam(er), textbasiert, community-getrieben und priorisiert Menschlichkeit vor Skalierung. Textlastigkeit statt Datenlastigkeit.
- Gemini Space / Geminispace: Der kollektive "Ort" oder das Ökosystem, in dem alle öffentlichen Gemini-Capsules existieren und miteinander verbunden sind. Man surft im Geminispace.
Herkunft: Nicht nur Gopher mit TSL/SSL (aber auch)
Stell dir vor, jemand schaut sich 2019 (oder so) den alten, fast vergessenen Gopher an – dieses prä-web, menübasierte, schnörkellose Protokoll – und denkt: "Hm. Das hatte was. Einfach. Fokussiert. Textlastig. Aber... die Welt ist heute eine andere. Verschlüsselung ist kein Luxus, sondern Pflicht. Und vielleicht braucht es noch ein paar kleine, aber feine Modernisierungen."

Heraus kam Gemini. Das Ziel war explizit nicht, das moderne Web zu ersetzen oder zu imitieren. Sondern eine minimalistische Alternative zu schaffen, die die Einfachheit von Gopher bewahrt, aber mit obligatorischem TLS/SSL (also Verschlüsselung von Haus aus) und einer leicht modernisierten, aber immer noch extrem schlanken Auszeichnungssprache (kein HTML, sondern text/gemini
) daherkommt. Es ist wie ein bewusster Schritt zurück nach vorne – weg vom Overload, hin zu klarer Struktur und Inhalt im Mittelpunkt. Der Standardport 1965
ist übrigens eine nette Hommage an das Gemini-Raumfahrtprogramm. Passt.

Alternativen zu Gemini: Wo steht es im Ökosystem?
Natürlich ist Gemini nicht allein mit seinem Anspruch auf Einfachheit und Fokus. Schauen wir uns kurz das Feld an:
- Gopher (selbst): Der Urvater. Läuft noch! Einige Enthusiasten betreiben Server. Aber: Keine eingebaute Verschlüsselung (nachträgliche Tunnel sind möglich, aber umständlich), sehr eingeschränkte Darstellungsmöglichkeiten (nur Menüs und Textblöcke). Für puristische Nostalgie toll, aber für moderne Ansprüche an Sicherheit und etwas mehr Ausdruckskraft zu limitiert.
- Das "klassische" Web (HTTP/S + HTML): Unser täglich Brot. Unglaublich mächtig, flexibel, allgegenwärtig. Aber genau das ist das Problem. Die Komplexität ist explodiert. Ein einfacher Blogartikel lädt Megabytes an JS, CSS, Fonts, Trackern. Der Browser ist ein Betriebssystem geworden. Es ist schwer, hier nur den Inhalt zu sehen. Gemini ist die radikale Gegenbewegung.
- Fedi-Protokolle (ActivityPub etc.): Großartig für dezentrale soziale Interaktion! Aber sie lösen ein anderes Problem. Ein Fediverse-Client ist komplex. Ein Gemini-Client ist winzig. Fedi ist sozial. Gemini ist dokumentenzentriert. Sie können koexistieren (manche Gemini-Capsules verlinken zu Fedi-Profilen), sind aber unterschiedliche Werkzeuge.
- Andere "Smol Web"-Ansätze: Es gibt Nischen wie Spartan, Finger oder sogar spezielle Nutzungen von SSH. Aber keine hat aktuell die gleiche kritische Masse an aktiven Nutzern und Inhalten oder die ausgereifte Spezifikation wie Gemini.
Gemini findet also ein bisschen seine Nische: Einfacher und sicherer als Gopher, radikal schlanker und fokussierter als das Web, dokumentenzentriert und nicht sozial wie Fedi. Es ist das Protokoll für Leute, die primär schreiben und lesen wollen, ohne Ablenkung. Und ja, die Kritik gleich bei Gopher, einem abgehangenen Standard zu bleiben, ist gerechtfertigt: ich brauche keine Verschlüsselung wenn ich keine kritischen Daten und Dienste transportiere, und den Anspruch hat Gemini mMn auch nicht. Aber es gibt sicher noch viele weitere Gründe warum neben Gopher Gemini entstanden ist.
Vorteile von Gemini: Warum es mich überzeugt
Hier wird's richtig spannend. Warum lohnt der Blick über den HTTP-Tellerrand?
- Radikale Einfachheit (und das ist gut so!):
- Protokoll: Die Gemini-Spezifikation ist winzig. Man kann sie an einem Nachmittag verstehen. Das macht Implementierungen einfach.
- Clients: Gemini-Browser ("Clients") sind oft klein, schnell, ressourcensparend. Manche sind nur wenige Kilobyte groß! Sie laufen auf einem Toaster (fast). Es gibt CLI-Clients, GUI-Clients, mobile Clients – alle schlank.
- Server: Einen Gemini-Server aufzusetzen ist trivial im Vergleich zu einem vollwertigen Webserver. Selbst auf minimaler Hardware.
- Ich betreibe meine Gemini-Capsule auf einem ARM-basierten Device. Meine Server-Software heißt: Agate
- Content-Erstellung: Schreiben. Formatieren mit einfachen
=>
für Links,#
,##
,###
für Überschriften,*
für Listen,>
für Zitate. Fertig. Kein CSS-Jonglieren, kein JS-Debugging. Der Fokus liegt auf dem Text.
- Sicherheit by Default: Jede Verbindung ist obligatorisch verschlüsselt (TLS). Punkt. Aus. Kein "http://", kein unsicheres Herumgereiche. Das ist ein fundamentaler Sicherheitsgewinn gegenüber Gopher und selbst dem Web, wo HTTPS oft erst nachgerüstet wird (oder gar nicht). Ich führe es hier als Vorteil auf, aber auch das würde ich disktueiren,
- Privatsphäre-freundlich: Durch die Einfachheit gibt es praktisch keine Tracking-Möglichkeiten. Keine Cookies, kein JavaScript, keine ausgefeilten Fingerprinting-Techniken. Der Client sendet nur das absolute Minimum (vielleicht eine Client-ID, optional ein sehr einfacher "Cert" für personalisierte Capsules). Du surfst, du liest, du denkst. Nicht dein Client wird analysiert.
- Hohe Portabilität & Langlebigkeit:
text/gemini
ist so simpel, dass es trivial ist, Inhalte zu archivieren, in andere Formate zu konvertieren oder in 20 Jahren noch zu lesen. Keine Abhängigkeit von komplexen Rendering-Engines oder Frameworks, die in 5 Jahren obsolet sind. - Fokus auf Inhalt: Das ist der größte Gewinn. Kein Design-Wettbewerb. Keine Popups. Keine Autoplay-Videos. Kein "Cookie-Banner". Kein Like-Button. Kein Algorithmus, der dir sagt, was du als nächstes lesen sollst. Nur du und der Text. Es zwingt Autor:innen, auf die Qualität ihrer Worte zu setzen. Das ist unglaublich befreiend und erinnert an die frühe, textbasierte Magie des Webs.
- Echte Dezentralität: Es ist trivial, einen eigenen Server ("Capsule") zu betreiben. Die Einstiegshürde ist minimal. Das fördert eine vielfältige Landschaft kleiner, unabhängiger Capsules statt weniger großer Plattformen.
- Freundliche und reflektierte Community: Die Gemini-Community ist (noch) klein, aber oft sehr technikaffin, wertschätzend und diskutiert bewusst die Auswirkungen von Technologie. Es fühlt sich weniger hektisch an als viele andere Ecken des Netzes.

Nachteile von Gemini: Die Kehrseite der Medaille
Keine Rosinenbomberei. Gemini ist kein Universallösung und hat klare Grenzen:
- Extrem eingeschränkte Darstellung: Bilder? Nur als externe Links (die der Client vielleicht anzeigt). Videos? Fehlanzeige. Komplexe Tabellen? Schwierig. Interaktive Formulare? Sehr rudimentär (mittels "Gemini Input"). Alles, was über Text und minimale Struktur hinausgeht, ist nicht vorgesehen oder ein Workaround. Das ist Absicht, aber es schränkt die Ausdrucksmöglichkeiten stark ein.
- Fehlende Interaktivität: Kein JavaScript bedeutet: Keine Web-Apps, keine komplexen Benutzeroberflächen, kein dynamisches Nachladen von Inhalten. Gemini ist statisch und linear. Für viele moderne Anwendungsfälle ungeeignet.
- Nischendasein: Die Nutzerbasis ist klein. Die Inhaltsmenge ist winzig im Vergleich zum Web. Du wirst dort nicht deine tägliche Nachrichtenversorgung, dein Banking oder YouTube finden. Es ist ein Spezialbiotop.
- Entdeckbarkeit: Es gibt Suchmaschinen, aber sie sind begrenzt. Die Entdeckung von Capsules funktioniert oft über Verzeichnisse (
geminiprotocol.net
) oder persönliche Linklisten. Oder in Verweisen durch kleine Weblogs ("Gemlogs"). Ein klassisches SEO gibt es nicht. - Technische Hürde für Nutzer: Auch wenn Clients einfach sind: Man muss erstmal wissen, dass es Gemini gibt, einen Client installieren/starten und sich mit URIs wie
gemini://example.space/hello.gmi
vertraut machen. Das schreckt "normale" Nutzer ab. - Client-Inkonsistenz: Während die Spezifikation klar ist, implementieren Clients kleine Features manchmal unterschiedlich (z.B. wie genau Eingabefelder dargestellt werden, ob/wie Bilder gezeigt werden). Es ist nicht so standardisiert wie HTML-Rendering (trotz dessen Unzulänglichkeiten).
Warum ist Gemini trotzdem wichtig? Ein Leuchtturmprojekt
Genau wegen dieser scheinbaren "Nachteile"! Gemini ist wichtig, weil es einen fundamentalen Gegenentwurf bietet. Es ist ein lebendiger Beweis dafür, dass es anders geht:
- Prototyp für Einfachheit: Es zeigt, wie ein funktionierendes Netz-Protokoll mit minimalem Overhead aussehen kann. Es ist ein Benchmark für "gut genug".
- Schutzraum für Konzentration: In einer Welt permanenter Ablenkung und Aufmerksamkeitsökonomie bietet Gemini einen digitalen Raum, der inhaltlichen Tiefe und Reflektion Priorität einräumt. Es ist ein Anti-Algorithmus.
- Sicherheitsvorbild: Die "Verschlüsselung immer"-Politik sollte Vorbild für alle Protokolle sein. Punkt.
- Demokratisierung des Publizierens: Die niedrige Server-Barriere ermöglicht es technisch weniger versierten Menschen (die trotzdem mit Text umgehen können) viel leichter, einen eigenen, voll kontrollierten Online-Raum zu schaffen als ein vollwertiger Webserver.
- Kritischer Spiegel: Es fordert uns auf, über die wahnsinnige Komplexität und die versteckten Kosten (Privatsphäre, Performance, Zentralisierung, Umwelt) des modernen Webs nachzudenken. "Muss das wirklich alles sein?".
- Resilienz und Langlebigkeit: Die Einfachheit macht das Gemini-Netz potenziell sehr robust und lange lebensfähig. Ein wichtiger Aspekt für die Bewahrung von Wissen und Kultur im digitalen Zeitalter.
Gemini ist kein Ersatz, es ist ein wichtiges Korrektiv. Es erinnert uns daran, was das Netz auch sein kann: Ein Ort des Austauschs von Ideen, nicht von Datenbrokern und Aufmerksamkeitshändlern.
Zukunft von Gemini? Stetig, nicht stürmisch
Ich erwarte keinen "Gemini-Hype". Das widerspräche seinem Wesen. Aber ich sehe eine stetige, organische Weiterentwicklung:
- Reifung der Spezifikation: Kleinere Klarstellungen und Erweiterungen (wie das Input-Modell) werden kommen, aber der Kern bleibt stabil. Der Fokus liegt auf Implementierungsstabilität.
- Verbesserte Clients & Tools: Bessere Client-Erfahrungen (insbesondere für Bilder/Eingaben), einfachere Publishing-Tools (statische Site Generatoren mit Gemini-Output), bessere Suchfunktionen.
- Wachstum der Capsule-Landschaft: Langsam, aber stetig. Mehr persönliche Gemlogs, thematische Capsules, vielleicht kleine Bibliotheken oder Archive.
- Brücken zum "großen" Web & Fediverse: Tools, die automatisch Blogposts von HTTP auf Gemini spiegeln (oder umgekehrt). Mehr Verlinkung zwischen den Welten. Vielleicht Gemini-Interfaces für Fediverse-Inhalte (reine Textposts).
- Bewahrung des Geistes: Das Wichtigste: Die Community muss den Geist der Einfachheit, Offenheit, Fokussierung und Privatsphäre bewahren. Wenn Gemini versucht, "wie das Web, nur kleiner" zu werden, verliert es seinen Wert.
Fazit: Gemini ist ein Juwel. Es ist nicht für jeden Tag und für jede Aufgabe. Aber es ist ein unverzichtbarer Teil des Ökosystems offener Protokolle. Es ist das Protokoll, wenn du zurück zu den Wurzeln willst, wenn du ungestört schreiben und lesen willst, wenn du Kontrolle und Einfachheit schätzt. Es ist das "Smol Web" in Reinform – und genau deshalb so verdammt wichtig. Probier es aus. Hol dir einen Client (Amfora
, Lagrange
, – such dir einen), surf zu gemini://geminiprotocoll.net
und atme durch. Es ist erfrischend anders.
2025-06-20 - Six years of Gemini! (Toggle)
Das offizielle Announcement vom Erfinder des Gemini Protokolls zum 6-jährigen Geburtstag: gemini://geminiprotocol.net/news/2025_06_20.gmi
Today is the sixth anniversary of the public announcement of Project Gemini!
It's been a quiet year at geminiprotocol.net thus far. I've let two "Apollo days" slip by without a word. I'm about as disappointed in myself for this as I expect many folks are unsurprised by it. I do still have plans and clear ideas for finalising the minor oustanding spec issues. I'd tell people to look forward to something by Apollo 15 day (2025-11-03), but at this point, who'd believe me? Well, let's see.
I'll stick to my promise from last year's anniversary announcement of discontinuing the previously traditional report of Geminispace size statistics: endless growth is not and never was a goal of the project, so there's little sense in continuing to do this. In case anybody thinks this is just a high-minded way to disguise the first set of disappointing numbers, I did check and in fact almost all of them have gone up a little, so there.
I might have been idle of late, but not everybody in the community has been. I continue to receive, and to apply, patches to the geminiprotocol.net repository correcting errors in the official documentation or adding translations of into diverse languages, and I continue to be very grateful for these generous contributions of time and energy. The same is true, of course, for all those folks who continue to keep search engines, aggregators, multi-user hosting services and more up and running, year after year. Thank you all!
Das Adoptionsdilemma: Warum Gemini (noch) nicht durchstartet
Trotz aller technischen Eleganz ist Gemini weit entfernt von einer kritischen Masse. Während andere dezentrale Projekte wie Mastodon oder Matrix spürbaren Zulauf erfahren, bleibt das Gemini-Ökosystem ein Geheimtipp für Tech-Enthusiasten. Die Gründe sind vielfältig, aber drei Punkte stechen besonders heraus:
1. Der Namenskonflikt: Google hat den Kampf um die Sichtbarkeit gewonnen
- Verwechslungsgefahr als Todesstoß: Die Suchanfrage "Gemini" führt seit 2024 fast ausschließlich zu Googles KI-Modellen. Das Protokoll verschwindet im Rauschen der Marketing-Maschinerie.
- Ressourcen-Ungleichgewicht: Während Google Milliarden in KI-Assistenten wie "Gemini Live" pumpt 1, existiert das Gemini-Protokoll dank Ehrenamtlicher. Ein Kampf David gegen Goliath – ohne Steinschleuder.
2. Technische Barrieren vs. Bequemlichkeitsfalle
- Client-Installation als Hürde: Im Zeitalter von "KI-Agenten, die Kinotickets buchen" 10 wirkt die Notwendigkeit, spezielle Apps wie Lagrange oder Amfora zu installieren, wie ein Relikt. Nutzer erwarten heute:
- Browserloses Surfen (KI-Tools wie Project Astra funktionieren direkt in Alltags-Apps 1)
- Sprachsteuerung (Gemini-KI reagiert auf natürliche Dialoge 5)
- Multimodalität (Bilder/Videos als Standard 8)
- URI-Syntax als Stolperstein:
gemini://example.space
fühlt sich für Normalnutzer fremder an als eine Blockchain-Adresse – und selbst die wird durch Wallet-Apps vereinfacht.
3. Fehlende "Killer-Applikation"
- Kein praktischer Nutzenvorsprung: Warum sollte jemand zu Gemini wechseln? Das Web bietet (mit all seinem Ballast) Vollständigkeit: Banking, Videos, Soziale Netzwerke. Gemini bietet... Texte. Zwar schön fokussiert, aber ohne klaren Mehrwert für Alltagsprobleme.
- Agenten-Revolution als Kontrast: Während 2025 KI-Assistenten wie Project Mariner "bis zu zehn Aufgaben parallel" erledigen, bleibt Gemini ein statisches Leseerlebnis. Selbst dezentrale Alternativen (z.B. ActivityPub) punkten mit Interaktivität.
Licht am Horizont? Warum Hoffnung bleibt
Trotz der düsteren Analyse sehe ich drei triftige Gründe, nicht aufzugeben:
- Resilienz durch Einfachheit: Kein Tracking, keine 100 MB-JS-Bibliotheken, keine Cookie-Banner. Diese "Anti-Fragilität" macht Capsules perfekt zur Bewahrung von Wissen in Zeiten digitaler Vergänglichkeit.
- Die Privatsphären-Welle: Mit jedem Google-Skandal (Monopolklagen!) wächst die Sehnsucht nach kontrollierbaren Räumen. Gemini ist technisch prädestiniert für den nächsten Privacy-Boom.
- Brückenbauer entstehen: Projekte wie Gemini-to-HTTP-Proxys oder RSS/Atom-Feeds für Gemlogs könnten die Isolation durchbrechen – ohne den Kern zu verraten.

Fazit: Kein Totgesagter, aber ein Schlafender
Gemini ist nicht gescheitert – es schlummert vor sich hin. Wie Gopher in den 2000ern könnte es Jahrzehnte überdauern, bis eine Generation die Sinnhaftigkeit seiner Beschränkungen neu entdeckt. Bis dahin bleibt es ein Refugium für Puristen: ein Ort, wo Texte atmen dürfen, ohne von Algorithmen zerfleischt zu werden. Vielleicht ist genau das sein Schicksal: nicht zu leuchten, sondern zu glimmen. Ich selbst hab ständig darüber geschrieben, wie tot ich Gemini wahrnehme
What is going on? (Toggle)
In meinem Gemlog schrieb ich am 22.04.2025: gemini://thafaker.crabdance.com/gemlog/public/posts/2025-04-22_Hello_Again.gmi
I haven't been here in a very long time. Here on the server in my capsule and, of course, in Gemini Space. I really enjoy getting lost again, surfing to a few large capsule services and diving deeper from there. There's something voyeuristic about it, because many capsules contain relatively private diaries. Often. It's not like the normal web. And that's why I often feel like I'm somehow diving into a special niche. Not as negatively connotated as the dark web with its access via TOR, but still with a special barrier and hurdle to participating there.
And that's the big problem I see. I mean, when I got into this topic about two years ago, Gemini was already dead. Now the Google AI service has completely swallowed up the name, and it's almost becoming difficult to find anything on the topic in search engines.
Which I find very unfortunate.
Which I find very unfortunate. I run my own capsule on my own server. I've always done that with everything I find exciting, so I can keep myself busy with it. So, the same is true here. But in the time I've been away, everything has become a little grayer. A little more sluggish. Sure, there will still be new registrations with the major capsule providers every now and then, but Gemini actually seems to survive thanks to the enthusiasm of a few.
And what about Gopher? The guys there are in quasi-direct competition with an established and very similar technology. And yet it all remains extremely niche.
In the end, it's probably actually much better to push technologies like the indie web, to ensure that people get out of the containers (I mean mobile apps, etc.) and communicate with each other (and pingbacks) again (e.g., via blogs, websites, etc.) like they used to. Freely. And not in silos of X, Facebook, or Instagram.
I see that as the greatest threat to a free web.
Das größte Hindernis: Gemini ist (und bleibt) ein Protokoll für Nerds – nicht für die Straße
Lassen wir alle Illusionen fallen: Gemini wird niemals Mainstream werden. Und der Hauptgrund ist nicht die Konkurrenz durch Google oder fehlende Videos, sondern eine tief verwurzelte, technokratische DNA, die "Otto Normalverbraucher" konsequent ausschließt. Warum?
- Die Installationshürde als unüberwindbare Mauer:
Stell dir vor, du erklärst deiner Tante Erna: "Du musst erst eine spezielle App (kein Browser!) wie Lagrange installieren. Nein, Chrome geht nicht. Nein, Safari auch nicht. Und dann tippst du so komische Adressen wiegemini://rooftop.cat/blog
ein..." Reaktion: Augenrollen, Handy weglegen.
Im Jahr 2025, wo KI-Assistenten per Sprachbefehl Flüge buchen und Bankgeschäfte erledigen , wirkt dieser Aufwand wie ein Rückfall ins Jahr 1995. Die Erwartung ist: Alles funktioniert sofort im vorhandenen Browser/App. Alles andere ist gescheitert, bevor es beginnt. - Die Sprachbarriere:
gemini://
, Ports & Co. als Geheimcode:
Normale Menschen verstehenhttps://google.com
. Punkt.gemini://coldlake.space:1965/?page=journal
hingegen ist technisches Voodoo. Es fühlt sich an wie eine Terminal-Eingabe, nicht wie eine Webadresse. Selbst das Konzept von "Ports" (:1965
) ist für 99% der Nutzer absolut fremd. Keine menschenlesbaren URLs = keine Akzeptanz. - Fehlendes "Plug & Play"-Erlebnis:
Keine Suchleiste. Keine automatische Vervollständigung. Keine Bookmarks-Synchronisation mit dem Cloud-Account. Keine Integration in soziale Sharing-Buttons. Kein "Einfach-drauflos-Tippen". Gemini-Clients sind Werkzeuge für Puristen, nicht für Menschen, die "mal schnell was nachschauen" wollen. Die Bedienung erfordert Lernbereitschaft – eine Währung, die außerhalb der Tech-Blase kaum jemand besitzt. - Der mangelnde "Wow-Effekt":
Kein moderner Mensch sagt: "Boah, ich hab gestern diesen KRIEGERISCHEN BLOGARTIKEL in schwarzer Schrift auf grauem Grund gelesen – das hat mein Leben verändert!"
Das moderne Web – trotz all seiner Sünden – bietet sensorische Überwältigung: Videos, Animationen, personalisierte Feeds, interaktive Karten. Gemini bietet: Text. Punkt. Für eine Generation, die mit TikTok, Insta-Reels und KI-generierten Memes aufwächst, ist das kein Upgrade, sondern ein Downgrade. - Die Community als Echo-Kammer:
Wer treibt Gemini voran? Technikenthusiasten, Netz-Nostalgiker, Privacy-Aktivisten. Menschen, für die ein CLI-Client ein Feature ist. Die Debatten drehen sich um RFC-Änderungen oder Client-Features – nicht um echte Nutzerfreundlichkeit. Es fehlt der radikale Fokus auf: "Wie kriegen wir das in die Hände von Lehrern, Handwerkern oder Rentnern?" Die Antwort ist oft: "Gar nicht – und das ist auch gut so." Ein Todesurteil für breite Akzeptanz.
Was bräuchte es WIRKLICH? (Eine utopische Liste)
Theoretisch müsste passieren, was unmöglich ist, ohne Gemini zu zerstören:
- Browser-Integration: Ein
gemini://
-Handler in Firefox/Chromium, der mit einem Klick aktiviert wird. Ich erinnere mich noch als der Gopher Hndler mit Firefox 3.5 verschwand oder späterftp://
- Suchmaschinen-Macht: Ein Google-Doodle für "Gemini Protocol" (lol – niemals).
- "Killer-Content": Ein Mega-Blogger wie MrBeast oder eine Regierung, die Gesetze NUR auf Gemini veröffentlicht (utopisch).
- KI als Übersetzerin: Sprachgesteuerte KI-Assistenten, die Gemini-Capsules ohne Client vorlesen und navigieren ("Hey Google, lies mir
gemini://spaceweather.gem
vor").
Da all das nicht passieren wird, bleibt Gemini was es ist:
Ein wunderschönes, radikal reduziertes Experiment – gefangen in der Blase derer, die Kommandozeilen lieben.
Für den Rest der Welt bleibt es: unsichtbar.
Ressources
Größte Ressource zu Clients, Servern und allem was noch dazu gehört
gemini://thafaker.crabdance.com/gemlog/public/posts/2025-07-03_welcome_to_the_smol_web.gmi